Die Entstehung neuer Arten durch den Menschen

Weizenzuchtlinien auf dem Dottenfelder Hof.


Oft wird der Mensch als Ursache für das Aussterben vieler Arten genannt. Wissenschaftler, Umweltverbände und umfassende Sachstandsberichte scheinen sich hier einig zu sein. Es steht auch die von vielen als Faktum aufgegriffene Hypothese im Raum, dass wir uns derzeit in dem sechsten Massenaussterben der Erdgeschichte befinden.

Was aber ist eigentlich mit der Entstehung neuer Arten? Eigentlich müsste man, wenn man einen Verlust der Biodiversität diagnostiziert, nicht nur die Aussterbe-Ereignisse sondern auch die Entstehung neuer Arten berücksichtigen. Dies wurde bisher aber nur in den seltensten Fällen gemacht, auch wenn es Ansätze gibt, dies zu verbessern (z.B. in dem Artikel von Bull und Maron 2016).

Besonders spannend finde ich die Frage danach, ob der Mensch, der mit Sicherheit viele Arten in die Extinktion getrieben hat, durch sein Handeln auch dazu beiträgt neue Arten entstehen zu lassen. Die Entstehung neuer Arten ist sicher einer der faszinierendsten Prozesse in der belebten Natur.

Ich wusste durch Recherchen für den Verein für Nutzpflanzenvielfalt schon seit einiger Zeit, dass die biologische Art (Brassica napus), zu der der Raps und die Steckrübe gehören, durch Hybridisierung aus zwei Kulturpflanzenarten, dem Kohl (Brassica oleracea) und den Rübsen (Brassica rapa, dazu gehört z.B. der Chinakohl, Mairüben, Herbstrüben und Teltower Rüben) entstanden ist. Da Kohl und Rübsen schon domestizierte Pflanzen sind, wurde die Entstehung von Raps nur durch den Menschen möglich.

Dann hat mich aber meine Neugier dazu verleitet, die Literatur auf weitere Arten zu überprüfen, deren Entstehung auf den Menschen zurückgehen.

Thomas (2015) führt eine ganze Reihe weiterer Kulturpflanzen an, die neue biologische Arten darstellen, die durch den Menschen entstanden sind. Zu dieser Gruppe gehören z.B. der Weichweizen (Triticum aestivum, eine der wichtigsten Kulturpflanzen überhaupt), die Erdnuss (Arachis hypogaea), der Indische Senf (Brassica juncea), der Äthiopische Senf (Brassica carinata) und eine Primelart (Primula kewensis). Alle diese Kulturpflanzenarten sind durch Hybridisierung zweier Ursprungsarten entstanden.

steckruebe
Die Steckrübe existiert nur, weil der Mensch eine neue Art geschaffen hat: den Raps (Brassica Napus). Die Steckrübe ist eine Varietät des Rapses. Quelle Wikipedia, wahrscheinlicher Autor Rainer Zenz

Der Mensch erzeugt diese Arten dadurch, dass er bisher voneinander geographisch getrennte Arten zueinanderbringt, so dass sich Hybriden bilden können. Durch diesen Mechanismus wurden wahrscheinlich auch einige weitere neue wilde Arten erzeugt. Ein weiterer Mechanismus, durch den der Mensch neue Arten erzeugt, ist die Schaffung neuer Habitate. Ein Beispiel ist die Entstehung einer neuen reproduktiv isolierten Moskito-Art, die in der Londoner U-Bahn lebt (Bull and Maron 2016).

Für mich liegt in der Entstehung neuer Arten durch den Menschen eine fundamentale und positive Botschaft: Der Mensch kann nicht nur Arten ausrotten, sondern auch neue Arten entstehen lassen. Viele dieser durch den Menschen erzeugten Arten sind bedeutende Kulturpflanzen geworden, wie der Weichweizen und der Raps, und haben die Welt bereichert. Sie sind integraler Bestandteil unserer Kultur und Wirtschaft geworden. Und man kann hier auch für die Zukunft lernen. Unsere Kulturpflanzen und Nutztiere müssen wir ständig weiterentwickeln und vielleicht entsteht dabei auch mal wieder eine neue biologische Art.

Literatur

Thomas, C. D. (2015). Rapid acceleration of plant speciation during the Anthropocene. Trends in ecology & evolution, 30(8), 448-455.

Bull, J. W., & Maron, M. (2016, June). How humans drive speciation as well as extinction. In Proc. R. Soc. B (Vol. 283, No. 1833, p. 20160600). The Royal Society.

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