Sortenmischungen bei Getreide zur Reduktion des Pestizideinsatzes: Ein Blick auf ein System in der DDR

Es ist schon interessant: vieles in der Wissenschaft wiederholt sich. Alte Forschungsthemen werden wieder ausgegraben, neu bearbeitet und auch gehyped als wären sie etwas völlig Neues. Zu diesen Themen gehören auch Sortenmischungen in der Landwirtschaft bei Getreide. Schon lange weiß man von den Effekten von Sortenmischungen Pflanzenkrankheiten, wie Pilze, zu reduzieren und die zugrundeliegenden Mechanismen sind ebenfalls bekannt. Dies kann man z.B. bei Martin Wolfe (Wolfe 1985), einem wunderbaren Review von Maria Finckh (Finckh et al. 2000) oder einer Meta-Analyse von dänischen Sortenversuchen (Kristoffersen et al. 2020) nachlesen.

Sortenmischungen, die Pflanzenkrankheiten unterdrücken sollen, werden aus Sorten gemischt, die agronomisch ähnliche Eigenschaften haben sich aber in ihren Resistenzgenen unterscheiden. Dadurch wird einerseits die Ausbreitung von Krankheiten in Beständen durch die reduzierte Wirtsdichte und Barriere-Effekte reduziert. Andererseits wird die evolutive Überwindung der Resistenzgene durch Pathogene verlangsamt. Monokulturen üben starke Selektionsdrücke auf die Pathogene aus, so dass Resistenzgene, die die Pflanzen tragen, schnell überwunden werden.  Diverse Sortenmischungen dagegen üben divergierende Selektionsdrücke aus, die die Anpassung der Pathogene erschweren. Die Entwicklung von Sortenmischungen wird auch in der aktuellen Literatur wieder aufgenommen und weitergesponnen, inklusive provokanter Überlegungen diese mit Gentechnik zu kombinieren (Wuest 2021).

Tabelle aus Skadow und Zimmermann (1987) mit den in der DDR zugelassenen Sortenmischungen.

Hier stellt sich dann natürlich die Frage, wieso ein scheinbar so wirkungsvolles System in der Praxis nicht zur Anwendung kommt. Hierfür ist es interessant sich mit Fallstudien zu beschäftigen, die zeigen wie ein solches System implementiert werden könnte. Falls es solche Fälle gibt, entweder an anderen Orten oder zu anderen Zeiten. Und in der Tat gibt es ein relativ prominentes Beispiel, das Maria Finckh in ihrem Aufsatz erwähnt. Skadow und Zimmermann (1987) beschreiben in ihrem Aufsatz noch detaillierter, wie Sortenmischungen in der DDR im erheblichen Umfang genutzt wurden. Im Jahr 1987 lag der Anteil der Braugerste, der als Sortenmischung angebaut wurde bei ca. 60%. Möglich wurde dies durch eine Kooperation von Brauindustrie, Züchtungsforschung und Sortenwesen. Tabelle 1 in ihrem Aufsatz zeigt vier der damals zugelassenen Sortenmischungen. Diese Sortenmischungen trugen Namen wie Sorten, hier Ami, Bemi, Cemi und Demi. Jede dieser Mischungen enthielt mindestens vier verschiedene Sorten mit verschiedenen Resistenzen gegen Mehltau. Die Entwicklung der Sortenmischungen war wohl eine Reaktion aufzunehmenden Mehltaudruck auf die Braugerste. Mir fehlt an dieser Stelle das detaillierte Wissen aber ich nehme an, dass in der DDR Pflanzenschutzmittel nicht so gut verfügbar waren und deshalb die Idee der Sortenmischungen Anklang fand. Außerdem gab es keine privaten Zuchtunternehmen sondern die Züchtung war staatlich organisiert. Die Sortenmischungen entwickelten sich also in einem ganz bestimmten ökonomischen und historischen Kontext. Skadow und Zimmermanm beschreiben außerdem Strategien zu einem reduzierten Pestizideinsatz aus ökologischen und ökonomischen Gründen mittels der Sortenmischungen. Allerdings erwähnen sie auch die Schwierigkeit solche integrierten Maßnahmen in der Praxis durchzusetzen.

Vor dem Hintergrund der ökologischen Probleme in der heutigen Landwirtschaft stellt sich durchaus die Frage, ob es nicht einen (einen weiteren) Versuch Wert wäre Sortenmischungen unter den heutigen Bedingungen zu testen. Dabei wäre dieser Test nicht primär ein Test ob Sortenmischungen funktionieren, sondern wie sich ihre Entwicklung technisch, züchterisch durchführen und ökonomisch organisieren ließe. Hierfür bräuchte es natürlich auch wieder eine Zusammenarbeit aus Züchtung, Forschung und Sortenwesen.

In anderen Europäischen Ländern ist man übrigens schon erheblich weiter. In Frankreich haben Sortenmischungen bei Weizen schon eine erhebliche Verbreitung gefunden und es gibt ein Werkzeug, das erlaubt Weizenmischungen zu erstellen, die auf bestimmte Krankheitskombinationen hin angepasst sind. Aus meinen Netzwerken habe ich zudem gehört, dass auch in Dänemark und der Schweiz Sortenmischungen in der Praxis angekommen sind und dort auch wie Sorten zugelassen werden können.

Prozentualer Anteil der Sortenmischungen von Braugerste, der in der DDR angebaut wurde. Daten extrahiert aus Skadow und Zimmermann 1987.

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