Der Mythos Hybrid-Sorten: Krönung der Züchtung oder Teufelszeug?

In den letzten Tagen habe ich begonnen mich durch ein super-spannendes Buch durchzulesen. Carol Deppe beschreibt in ihrem Buch „Breed your own vegetable varieties“, wie man mit relativ geringem Aufwand Züchtung betreiben kann. Das Schöne an diesem Buch ist, dass es einerseits sehr praxisorientiert und verständlich ist, dabei aber gleichzeitig viel tiefer geht als ähnliche (auch für Laien verständliche) Publikationen. Gleichzeitig vermittelt es eine kritische Perspektive auf die Züchtungs-Industrie, ohne dabei in flache Parolen zu abzudriften.

Deppe erklärt in Kapitel 9, was es mit den sogenannten Hybridsorten auf sich hat, die einerseits von den Züchtungsunternehmen als Krönung der Züchtung beworben und von den „Ökos“ und Saatgut-Initiativen als Teufelszeug verdammt werden. Deppe räumt mit beiden Klischees in aller Gründlichkeit auf.

Ein vielzitierter Vorteil von Hybridsorten ist das besonders kräftige Wachstum und damit auch ein besonders hoher Ertrag im Vergleich zu samenfesten Sorten. Dies wird in der Biologie als Heterosis-Effekt bezeichnet. Dies gilt aber, wie Deppe erklärt, nur für bestimmte Kulturpflanzenarten, nämlich bei Fremdbestäubern, wie Mais, Raps, Steckrübe oder den verschiedenen Kohlsorten (z.B. Brokkoli, Blumenkohl, Kohlrabi und Weißkohl). „Der Mythos Hybrid-Sorten: Krönung der Züchtung oder Teufelszeug?“ weiterlesen

Zwerg-Tomaten: die Chihuahuas unter den Tomaten

Neulich in einem Leipziger Baumarkt: eine Zwergtomate der Sorte „Balkontomate F1“. Gut zu erkennen ist der zwergenhafte Wuchs sowie die typischen gekräuselten Blätter.


Im letzten Herbst, als ich darüber nachgedacht habe, was ich gerne nächstes Jahr zusammen mit den Gärtnern aus unserem Gemeinschaftsgarten Querbeet kultivieren möchte, bin ich über die Zwerg-Tomaten gestolpert. Diese haben mich sofort fasziniert. Tomaten wachsen normalerweise unbegrenzt oder werden zumindest sehr groß und erfordern eine Stütze sowie das „Ausgeizen“ der Seitentriebe, um ihr wildes Wachstum im Garten zu kontrollieren. Tomaten sind also schon etwas aufwendiger zu kultivieren und müssen gewissermaßen gebändigt (eben kultiviert) werden. Wieso also nicht gleich eine Sorte züchten, die schon durch ihre genetische Ausstattung gebändigt ist? Die Zwerg-Tomaten-Sorten stellen die züchterisch-genetische Antwort auf diese Frage dar. Zwerg-Tomaten sind klein und platzsparend, müssen nicht ausgegeizt und angebunden werden. Zwerg-Tomaten sind sozusagen die Chihuahuas unter den Tomaten.

Craig LeHoullier, ein Tomaten-Experte aus North Carolina, berichtet in einem Interview, dass schon in den 1860ern die erste Zwerg-Tomatensorte von Frankreich in die USA gebracht wurde. Sie hatte den Namen „Chateau de Laye“. Auch in einem Saatgutkatalog von 1915 tauchte schon eine Zwergtomate mit dem Namen „New Big Dwarf“ auf. Allerdings gab es keine besondere Vielfalt an verschiedenen Zwergsorten, was Fruchtfarbe, Fruchtform und Größe anging. Deshalb hat Craig zusammen mit der australischen Züchterin Patrina Nuske Small das sogenannte Dwarf Tomato Project ins Leben gerufen. „Zwerg-Tomaten: die Chihuahuas unter den Tomaten“ weiterlesen

Alte Sorten V.S. neue Sorten und dialektische Evolution

Die Apfelsorte Alkmene. Sie wurde 1930 in Müncheberg gezüchtet und ging aus einer Kreuzung der Sorten Cox Orange und Geheimrat Dr. Oldenburg hervor. Foto von Sven Teschke,  Bildquelle Wikipedia


Vor kurzem erst bin ich bei einem großen Zeitungskiosk im Leipziger Hauptbahnhof über ein Sonderheft der Zeitschrift „Kraut und Rüben“ zum Thema „alte Sorten“ gestolpert. Blättert man durch dieses Werk, bekommt man den Eindruck alte Sorten lägen „voll im Trend“. Ähnliches scheinen einem die Organisationen zu vermitteln, die sich für die Erhaltung „alter“ Sorten einsetzen, wie Arche Noah, der VEN oder Pro Species Rara. Aber warum eigentlich? Der Rückgriff auf „alte“ Sorten ist eine durchaus sehr nachvollziehbare Gegenbewegung gegen eine ins Absurde gesteigerte Industrialisierung von Landwirtschaft und der Privatisierung von Leben. Dennoch birgt diese Berufung auf alte Sorten ihre eigene Gefahr, nämlich die der romantischen Verklärung und Mythenbildung. So bekommt man in den Kreisen von Ökogärtnern oft zu hören alte Sorten seien besser an regionale Ökosysteme angepasst, hätten mehr Resistenzen gegen Pathogene, seien geschmackvoller und enthielten weniger Allergene. Dies kann durchaus der Fall sein. Ein alleiniger Fokus auf „alte“ Sorten jedoch ist ein Irrweg und verkennt die dynamische Natur und Kultur unserer Kulturpflanzenvielfalt. „Alte Sorten V.S. neue Sorten und dialektische Evolution“ weiterlesen

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