Die Ackerminze (Mentha arvensis). Foto von Ivar Leidus, CC BY-SA 3.0, Quelle Wikipedia.


Bisher hat sich der Fokus meiner Pflanzen-Obsession vor allem auf die „heißen“ Chilis gerichtet. Von einer leicht angenehmen Schärfe bis hin zu einem unaushaltbar aggressiven Brennen reicht die Wirkung dieser Pflanzen. Der Mensch scheint Gegensätzen zu lieben und deshalb bin ich nun bei den „kühlen“ Minzen gelandet. Aber wie bin ich den Minzen – abseits des alltäglichen Konsums in Zahnpasta und Tees – begegnet?

Bei einer botanischen Exkursion auf einen Friedhof in Mühlheim an der Ruhr im letzten Spätsommer habe ich Samen der Ackerminze gesammelt und im Herbst versuchsweise ausgesät. Die Aussaat hat funktioniert und nun stehen einige Töpfe Ackerminze bei uns im Garten. Liebe Minzen, willkommen in meinem Garten und bewussten Sein. Das war eine starke Anregung mich tiefer mit Minzen zu beschäftigen.

Jeder kennt das typische Minzaroma, welches wir täglich in Zahnpasta, Tee oder Süßigkeiten konsumieren: eine frische Kühle, die genau das Gegenteil von der heißen Schärfe der Chilis zu sein scheint. Zwei der bekanntentesten Vertreter der Minzen sind die Pfefferminze (Mentha x piperita) und die schon erwähnte Ackerminze (Mentha arvensis). Die Pfefferminze ist eine in Kultur entstandene Hybridart, während die Ackerminze eine in Europa und Asien vorkommende Wildart ist.

Die Molekulare Erklärung für „Schärfe“ und „Kühle“

Warum „schmecken“ Minzen also kühl? Hier zeigt sich auf hoch interessante Weise eine Verbindung zwischen den Chilis und den Minzen, nämlich in ihrem Wirkmechanismus. Kühle und Schärfe werden beide durch molekulare Rezeptoren in unseren Nervenzellen rezipiert und an unsere bewusste Wahrnehmung vermittelt.

Das Capsaicin der Chilis aktiviert einen molekularen Rezeptor in unseren Nervenzellen, den sogenannten Transient Receptor Potential Vanilloid 1 (TRPV1), der auch von Temperaturen über 42°C aktiviert wird. Das Capsaicin in den Chilis erzeugt also über unsere Nervenzellen und das Andocken an einen molekularen Hitzerezeptor die scharfe oder auch „heiße“ Empfindung.

Einer der wichtigsten aromatischen Bestandteile der Minzen ist das Menthol. Dieses aktiviert einen anderen molekularen Rezeptor unserer Nervenzellen, den sogenannten Transient Receptor Potential Melastatin 8 (TRPM8), welcher auch durch kühle Temperaturen aktiviert wird. Das Menthol in den Minzen erzeugt also über unsere Nervenzellen und das Andocken an einen molekularen Kühlerezeptor die kühle Empfindung.

Interessanterweise besteht eine direkte Verbindung von beiden molekularen Systemen. Experimentelle Studien haben gezeigt, dass eine durch Capsaicin verursachte Aktivierung von TRPV1, durch Menthol gehemmt werden konnte und das auch umgekehrt Capsaicin die Aktivierung des Mentholrezeptors hemmt (Takaishi et al., 2016). Im Prinzip, so die Autoren könnte Menthol als Antagonist gegen Capsaicin und andere Aktivatoren von TRPV1 genutzt werden. Dies hat interessante Implikationen für verschiedene praktische Bereiche, z.B. die Kulinarik. Folgerichtig müsste man also eine Überdosierung mit Chili, die brennende Schmerzen verursacht mit Menthol abschwächen können. Ob das in der Praxis wirklich so funktioniert, ist aber offen und wurde in der Studie nicht untersucht.

Erklären könnte dies auch warum scharfe (arabische) Gerichte mit Minz-Joghurt gereicht werden. Der fettige Joghurt löst das Capsaicin im Mundraum und fungiert als Spülung, während das Menthol die Wirkung des Capsaicins neutralisiert. Interessanterweise schmecken beide Stoffe – sowohl Capsaicin als auch Menthol – in hohen Konzentrationen scharf. Die Pfefferminze hat aufgrund ihrer hohen Mentholgehalte ihren Namen.

Biochemie, sinnliche Erfahrung und Transzendenz

In beiden Fällen – Chilis und Minzen – also beeinflussen die Pflanzen direkt die Wahrnehmung von uns Menschen auf molekularer Ebene und dadurch erklärt sich die starke Verbindung von Menschen und Pflanzen. Diese Verbindung ist biochemisch und zugleich sinnlich-emotional. Zwischen diesen beiden Aspekten besteht überhaupt kein Widerspruch. Sinnliche Zugänge sind auch die Grundlage für transzendentale (über die empirische Welt hinausgehende) Erfahrungen. An dieser Stelle könnten die naturwissenschaftlichen orientierten Leserinnen skeptisch werden. Für reflektierte Naturwissenschaftlerinnen ist der Zusammenhang biochemischer Prozessse mit transzendentalen Erfahrungen allerdings kein wirklicher Widerspruch. Zwar besteht kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen den biochemischen und transzendentalen Prozessen. Dieser wird aber vermittelt über die Sinnlichen Erfahrungen. Dies gilt zumindest solange Biochemie und Transzendenz nicht in unzulänglicher Weise vermischt und ihre Vermittlung durch sinnliche Erfahrungen berücksichtigt werden. Nun möchte ich aber noch zu einem weiteren rein empirischen Aspekt der Minzen und ihrer Interaktion mit ihrer Umwelt kommen.

Die chemisch-ökologische Beziehung von Minzen zu ihrer Umwelt

Das Auslösen der sinnlichen Reize bei Menschen durch Pflanzen ist natürlich kein Zufall. Bei Chilis liegt er in der gemeinsamen evolutionsökologischen Geschichte von Säugetieren und Chilis begründet. Bei der Minze sind wohl ähnliche evolutionsökologische Mechanismen anzunehmen. Indizien liefern einige ökologische und agrarwissenschaftliche Studien.

Kalemba and Synowiec (2019) geben in ihrem Übersichtsartikel eine Reihe von Hinweisen auf den Zweck von Menthol für die Minzen. Es zeigen sich z.B. allelopathische also wachstumsunterdrückende Wirkungen von Minzen auf Mais und einige Unkräuter. Menthol dient also vermutlich zur Unterdrückung konkurrierender Pflanzenarten. Menthol schädigt interessanterweise auch die Symbiose zwischen Korallen und den in ihnen lebenden Algen, dem sogenannten Dinoflagellaten (Clowez et al., 2021). Die Anwesenheit von Bodenbakterien wie Pseudomonas putida führt zu einer Verstärkten Mentholproduktion. Sehr hohe Mentholproduktion in Minzen wurde auch durch eine Beimpfung mit einem Pilz erreicht (Trichoderma viride). Es gibt zahlreiche experimentelle Belege (in vitro) für eine antimikrobielle Aktivität von Menthol, die manchmal sogar höher ist als die von synthetischen Stoffen. Ein weiterer Vorteil von Menthol für Minzen ist also vermutlich die Unterdrückung von Pathogenen. Menthol wird als kommerzielles Biopestizid in einigen Pflanzenschutzmitteln eingesetzt, bzw. auch als Insektizid (Isman, 2020).

Minzen in Gemeinschaft

Ein weiterer agrarwissenschaftlich interessanter Aspekt ist die Nutzung solcher Effekte in Mischkulturen. Und natürlich steht die Minze in unserem Garten nicht alleine. Ich habe sie in Gemeinschaft mit Salat in Kübel gepflanzt und sie breitet sich ziemlich wild und ungeniert in unserem Kräuterbeet zwischen Bohnenkraut und Salbei aus. Inspiriert durch meine Produktion akademischer Werke bin ich auf dem Weg zu „Neuen Kulturpflanzengemeinschaften und neuen Mischkultursystemen“ (work-in-progress und einen Vorgeschmack gibt es hier). Ich bin gespannt, ob sich die Schnecken davon beeindrucken lassen.

Zitierte Literatur

Clowez, S., Renicke, C., Pringle, J. R., and Grossman, A. R. (2021). Impact of Menthol on Growth and Photosynthetic Function of Breviolum Minutum (Dinoflagellata, Dinophyceae, Symbiodiniaceae) and Interactions with its Aiptasia Host. J. Phycol. 57, 245–257.

Isman, M. B. (2020). Bioinsecticides based on plant essential oils: A short overview. Z. Für Naturforschung C 75, 179–182.

Kalemba, D., and Synowiec, A. (2019). Agrobiological interactions of essential oils of two menthol mints: Mentha piperita and Mentha arvensis. Molecules 25, 59.

Takaishi, M., Uchida, K., Suzuki, Y., Matsui, H., Shimada, T., Fujita, F., et al. (2016). Reciprocal effects of capsaicin and menthol on thermosensation through regulated activities of TRPV1 and TRPM8. J. Physiol. Sci. 66, 143–155.

Literatur zu Biopestiziden

Acheuk, F., Basiouni, S., Shehata, A. A., Dick, K., Hajri, H., Lasram, S., et al. (2022). Status and Prospects of Botanical Biopesticides in Europe and Mediterranean Countries. Biomolecules 12, 311. doi:10.3390/biom12020311.