Abbildung links: der sogenannte Fruchtbare Halbmond ist Ursprung vieler unserer Kulturpflanzen. Quelle Wikipedia, Autor Colt 55.


Seit einiger Zeit beschäftigt mich schon die Frage, woher eigentlich die Mischkulturen aus Getreiden und Leguminosen kommen, die traditionell in unserer europäischen Landwirtschaft eingesetzt wurden. Mischkulturen erfahren gerade wieder – durch eine Reihe aktueller Forschungsprojekte und Konferenzen – mehr Aufmerksamkeit. Ich selbst arbeite gerade an einem Mischkultur-Projekt (Remix) im Fachgebiet Ökologischer Pflanzenschutz der Universität Kassel.

Neulich fiel mir bei einer Literaturrecherche ein interessanter alter Artikel von Zohary und Hopf in die Hände mit dem Titel: „Domestication of Pulses in the Old World – Legumes were companions of wheat and barley when agriculture began in the Near East“ (Zohary and Hopf, 1973). Das ließ mich natürlich aufhorchen. Die Kernaussage des Artikels ist, dass die wilden Vorfahren unserer Getreide und einiger Leguminosen wie Linse und Erbsen schon vor ihrer Domestikation in natürlichen Pflanzengemeinschaften zusammenlebten und das diese auch zusammen domestiziert und in den ersten landwirtschaftlichen Systemen unserer Welt zusammen kultiviert wurden. Etwas aktuellere Informationen dazu gibt es in den Kapiteln zu Getreide und Erbsen bei Zohary et al. (2012) und Weiss und Zohary (2011).

Ein gemeinsamer Ursprung von Gerste, Weizen, Linse und Erbse?

Interessanterweise überlappen sich die Verbreitungsgebiete einiger wilder Vorfahren unserer Getreide und Leguminosen, die wir in der Landwirtschaft verwenden. Zum Beispiel kommen wilde Formen des Emmers und der Gerste sowie wilde Linsen und Erbsen alle im sogenannten fruchtbaren Halbmond vor (siehe Karten in Zohary et al. [2012]). Dabei teilen sie sich gemeinsame Ökosysteme, wie die lichten Eichenformationen („Near East Oak Park-Forest Formation“), bzw. offene steppeartige Grasländer (Zohary et al 2012). Zohary et al. und Weiss und Zohary gehen außerdem davon aus, dass die Domestikation von Gerste und bestimmten Weizenformen wie Emmer zeitlich relativ nah an der Domestikation von Linse und Erbse liegt, was eine gemeinsame Domestikation möglich erscheinen lässt.

Die Vorfahren unserer Kultur-Getreide und Leguminosen teilen sich zwar die Ökosysteme des fruchtbaren Halbmondes besetzen aber völlig unterschiedliche Nischen durch unterschiedliche ökologische Anpassungen. Dies ermöglicht ihnen ihre Koexistenz. Gräser besitzen ein sehr feines Wurzelsystem mit vielen Wurzelhaaren (die übrigens zu ausgeprägten Wurzelhosen führen). Dieses erlaubt es ihnen schnell die Stickstoffreserven des Bodens anzuzapfen. Im Gegensatz dazu haben Leguminosen ein Pfahlwurzelsystem mit viel geringerer Oberfläche, können sich deshalb Boden-Stickstoff nicht so schnell aneignen, nutzen aber dafür symbiontische Bakterien (Rhizobien) zu Fixierung atmosphärischen Stickstoffes. Dies ermöglicht es ihnen in Konkurrenzsituationen mit Gräsern genug Stickstoff zu akkumulieren. Gräser entwickeln während des Schießens Halme, die mechanisch so stabil sind, dass sie die Blätter und Ähren relativ weit vom Boden erheben können, um im Konkurrenzgeschehen um Licht mit anderen Pflanzen zu bestehen und später ihre Pollen und Samen weiter zu verbreiten. Linsen und Erbsen dagegen haben keine so stabilen Halme. Sie besitzen dafür aber Ranken, um die Halme anderer Pflanzen zu nutzen und sich so Zugang zu Licht und Verbreitungsmöglichkeiten für ihre Samen zu ermöglichen. Dabei sind die Ranken von Erbsen und Linsen sehr gut an Stützpflanzen mit geringem Sprossdurchmesser wie Gräser angepasst (im Gegensatz zu windenden Lianen die an Bäumen klettern [Dewalt et al., 2000]). Solche „Kletterstrategien“ sparen Investitionen in stabile Halme und können deshalb zu evolutionären Vorteilen führen, die wiederum in der Entstehung neuer Arten münden (Gianoli, 2004). Erbsen und Linsen sind also kletternde Pflanzen die speziell an offene Vegetationen angepasst sind, die unseren landwirtschaftlichen Äckern in mancherlei Hinsicht ähneln (viele Annuelle, krautige Pflanzen, frühe Sukzessionsstadien). Insgesamt besitzen die grasartigen Vorfahren unserer Kulturgetreide also eine vollkommen andere Spross und Wurzelarchitektur als die wilden Vorfahren von z.B. Erbse und Linse und dies ermöglicht ihnen die Koexistenz in dem steppeartigen Ökosystem des fruchtbaren Halbmondes. Gewissermaßen sind Leguminosen und Gräser in diesem System koevolviert und haben sich aneinander angepasst. In dem Prozess der Domestikation unserer Kulturgetreide und Kulturleguminosen haben wir also möglicherweise nicht nur einzelne Kulturpflanzenarten sondern einen Teil der wilden Pflanzengemeinschaften domestiziert. Aus diesen sind dann unsere annuellen kultivierten agrarökologischen Systeme – der Ackerbau – hervorgegangen.

Die Nutzung evolutionärer Koadaption in der heutigen Landwirtschaft

Es liegt also nahe diese evolutionäre Koadaptation zu nutzen und dies war zum Beginn der Landwirtschaft und der Domestikation der Kulturpflanzen auch der Fall. Darauf weisen Zohary und Hopf ausdrücklich in ihrem Artikel und Zohary et al. in ihrem Buch hin. Deshalb finden sich in archäologischen Ausgrabungen oft Getreide und Leguminosen-Reste zusammen (wobei dies aber auch lediglich auf eine gemeinsame Lagerung oder Zubereitung schließen lassen könnte).

Die moderne Züchtung hat sich allerdings fast ausschließlich auf die Anpassung der Kulturpflanzen an Monokulturen spezialisiert und dieses evolutive Potential nicht genutzt. Ein besonders prägnantes Beispiel ist die Erbsenzüchtung. So wurden insbesondere kurze Erbsen gezüchtet, bei denen außerdem neben den normalen Ranken ein Teil der Blattfläche zu zusätzlichen Ranken umgewandelt wurde: sogenannte halbblattlose Erbsen. Diese sind durch ihre kurzen Halme und die vielen Ranken – die sich ineinander verheddern – standfester als die längeren normalblättrigen Erbsen. Allerdings gibt es hier trotzdem Probleme des Lagerns einerseits und der Verunkrautung andererseits, da diese niedrigen Erbsen mit wenig Blattfläche nicht sehr konkurrenzstark gegen Unkräuter sind. Bei der Erbse zeigt sich hier möglicherweise ein fundamentaler trade-off (Zielkonflikt) in der Pflanzenarchitektur: Standfestigkeit und Konkurrenzfähigkeit gegen Unkräuter lassen sich möglicherweise nur schwer in der Erbsenpflanze zusammenbringen. Die einzige Option ist es dann die geringe Konkurrenzfähigkeit standfester kurzer Erbsen durch externe Betriebsmittel wie Herbizide auszubügeln. Ein vielversprechender Ansatz wäre es aber vielleicht die verschiedene Pflanzenarchitektur (Wurzel und Spross) von Gräsern und Leguminosen zu nutzen, um diese trade-offs in Mischkulturen auszuhebeln.

Es lohnt sich also ein Blick zurück auf den Ursprung unserer Kulturpflanzen, ihre biologische Evolution und Ökologie.

Literatur

Dewalt, S.J., Schnitzer, S.A., Denslow, J.S., 2000. Density and diversity of lianas along a chronosequence in a central Panamanian lowland forest. J. Trop. Ecol. 16, 1–19.

Gianoli, E., 2004. Evolution of a climbing habit promotes diversification in flowering plants. Proc. R. Soc. Lond. B Biol. Sci. 271, 2011–2015.

Weiss, E., Zohary, D., 2011. The Neolithic Southwest Asian founder crops: their biology and archaeobotany. Curr. Anthropol. 52, S237–S254.

Zohary, D., Hopf, M., 1973. Domestication of pulses in the Old World: legumes were companions of wheat and barley when agriculture began in the Near East. Science 182, 887–894.

Zohary, D., Hopf, M., Weiss, E., 2012. Domestication of Plants in the Old World: The origin and spread of domesticated plants in Southwest Asia, Europe, and the Mediterranean Basin. Oxford University Press on Demand.