In der Landwirtschaft und der Stadtentwicklung wird nach einer neuen Balance aus Natur, Kultur und Technik gesucht. In dieser Folge des BioKultur Podcasts spreche ich mit Martin Kaiser vom BUND Essen darüber, wie wir durch Wildwiesen wieder mehr biologische Vielfalt und Resilienz in unsere urbanen und ländlichen Lebensräume bekommen. Beispielhaft besprechen wir dies anhand eines Wildwiesen Modell-Projektes, das Martin Kaiser für die BUND Kreisgruppe Essen koordiniert. Wir besprechen, wie das Projekt entstanden ist, was die gewonnen Erkenntnisse sind, über die Kooperation mit der Stadtverwaltung und persönliche Motivationen. Auch die Kernfrage, was Wildwiesen überhaupt sind – Natur oder Kultur – diskutieren wir in dieser Folge.
Informatione zum Wildwiesen-Projekt:
Das Wildwiesen Projekt des BUND Essen.
Hier geht es zum Vorstand des BUND Essen bei dem Martin Kaiser Mitglied ist.
Die Stadt Essen hat nach eigenen Angaben auf über 20 Hektar weitere Wildwiesen angelegt.
Praxisorientierte Literatur:
Hier findet ihr ein Poster zu dem Wildwiesen Projekt, das auf dem Flora-Fauna Tag im Januar 2025 in der Zeche Zollverein vorgestellt wurde.
Der Deutsche Landschaftspflegeverband hat auf Grundlage eines Forschungsprojektes einen brandaktuellen Leitfaden zur erfolgreichen Grünlandrenaturierung herausgegeben. Hier werden auch die Kosten verschiedener Verfahren verglichen (Aussaat Regiosaatgut, Mahdgutübertragung, Drusch von Wildwiesen). Außerdem werden eine Reihe von Erfolgsfaktoren vorgestellt.
Ökologische Theorie zur Entstehung von Wiesenökosystemen:
- Die Waldgrenze als Nische natürlicher Wiesenökosysteme: Wiesenökosysteme treten vor allem jenseits der Waldgrenze auf, weil Gräser und Kräuter sich nur dann gegen die konkurrenzstarken Bäume durchsetzen. Die Baumgrenze wird bestimmt durch die Temperatur und den Niederschlag. Natürliche Wiesenökosysteme treten deshalb vor allem in bestimmten Höhen im alpinen Bereich oder in hohen Breitengraden auf, die zu kalt für Bäume sind. Aber auch bei zu geringen Niederschlägen setzen sich Wiesen gegenüber Wäldern durch, z.B. in den Steppenökosystemen im Nahen Osten. Zu nasse Bereiche mit Staunässe, z.B. in Mooren ermöglichen ebenfalls Wiesengesellschaften.
- Megaherbivoren als mögliche Ursache der Entstehung natürlicher Wiesenökosysteme: Die sogenannte Megaherbivoren-Hypothese besagt, dass vor der letzten Eiszeit das Vorkommen großer Herbivoren (Elefanten etc.) in Europa große Bereiche von offenen Wiesenökosystemen erzeugt hat. Diese Hypothese ist allerdings stark umstritten (siehe Ellenberg und Leuschner 2010, S. 286). Diese Hypothese wird vor allem im Kontext des Naturschutzes genutzt, um Beweidung zu legitimieren.
- Natürliche kleinräumige Wiesen in Habitat-Mosaiken innerhalb von Waldökosystemen: Plausibler erscheint es, dass kleinere Wiesenflächen innerhalb der Baumgrenze als Teil der natürlichen Waldentwicklungsphasen existieren, innerhalb eines Habitatmosaikes (siehe Leuschner und Ellenberg 2010, S. 290). Durch Störungen (Stürme, Feuer) oder alternde Bäume können temporäre Lücken für Wiesen entstehen.
- Kulturbedingte Entstehung weiträumiger Wiesenökosysteme: Großflächige Wiesenökosysteme in Mitteleuropa sind durch die von Menschen organisierte Beweidung und später auch durch die technische Mahd entstanden. Damit sind großflächige Wiesenökosysteme in unseren Breiten keine rein natürlichen Systeme (siehe Ellenberg und Leuschner 2010, S. 48) sondern ein Hybrid aus natürlichen und kulturell-technischen Prozessen.
Literatur
Ellenberg, H., & Leuschner, C. (2010). Vegetation Mitteleuropas mit den Alpen: in ökologischer, dynamischer und historischer Sicht. Utb, Stuttgart.