Hier sieht man gleich das Problem: halbe Erbsen, die man mit einfacher Reinigungstechnik nicht vom Backweizen trennen kann.
Mischkulturen sind seit Anbeginn der Landwirtschaft ein Teil des Pflanzenbaues. Leguminosen und Getreide wurden wahrscheinlich sogar gemeinsam im Fruchtbaren Halbmond domestiziert. Die prinzipiellen ökologischen Vorteile liegen auf der Hand und sind wissenschaftlich vielfach belegt (Bedoussac et al. 2015). Allerdings sind unsere modernen Pflanzenbausysteme auf Monokulturen hin optimiert und zwar entlang der gesamten Wertschöpfungskette von der Züchtung, der Agrartechnik für Aussaat, Ernte und Nacherntebehandlung sowie der Lebensmittelverarbeitung. Um die Vorteile von Mischkulturen innerhalb einer technologisch fortschrittlichen Landwirtschaft nutzbar zu machen, reicht es deshalb nicht einfach sie unbeachtet anderer Stellschrauben in dieses Agrarsystem einzuführen. Wenn Mischkulturen in dieses System integriert werden sollen, sind deshalb technologische Anpassungen notwendig und zwar möglicherweise nicht nur an einer, sondern an mehreren Stellen in der Wertschöpfungskette. Hierbei spricht man dann von sogenannten gekoppelten Innovationen (Meynard et al. 2017). Dies lässt sich gut an dem Beispiel von Weizen-Erbsen-Gemengen illustrieren, die wir zur Zeit am Fachgebiet Ökologischer Pflanzenschutz (Prof. Maria R. Finckh) testen.
Backweizen: zwischen Qualitätsanforderungen und Nitratbelastung der Umwelt
Ein wesentliches Qualitätskriterium für Backweizen ist der Proteingehalt, der wiederum relativ eng mit dem Glutengehalt (eine Proteinfraktion) korreliert. Gluten macht es möglich, dass das von den Hefen gebildete CO2 während der Teigführung im Teig gebunden bleibt und ermöglicht so eine lockere Krume. Deshalb bezahlen Getreidehändler*innen die Landwirt*innen auch in Abhängigkeit vom Proteingehalt des Weizens. Reicht der Gluten- oder Proteingehalt des Weizens nicht für die Einstufung als Backweizen, dann kann dieser nur als Futterweizen verkauft werden. Zwar kann durch lange Teigführung auch mit relativ niedrigen Proteingehalten ein gutes Brot gebacken werden, wie Linnemann betont (Linnemann 2013). Allerdings ist auch bei längerer Teigführung eine gewisse Mindestmenge an Proteingehalt wichtig. Außerdem ist die besondere Backqualität des Weizens – die vom Glutengehalt abhängt – sehr wertvoll, wenn man es zum Aufmischen anderer Getreide oder Körnerfrüchte nutzt, die diese Backqualitäten nicht besitzen (Hafer, Nüsse, Erbsen etc.). Den Proteingehalt kann man einerseits über die Sortenwahl beeinflussen (es gibt Weizensorten, die auf hohe Proteingehalte hin selektiert wurden) und über die Stickstoffversorgung der Pflanzen. Insbesondere späte Düngungen vor der Kornbildung (spät heißt hier nach dem Beginn des Pflanzenwachstums) können den Proteingehalt erhöhen. Diese Spätdüngungen können aber auch zu einem Austrag des Düngers in das Grundwasser führen. Vor dem Hintergrund der teilweise hohen Nitratbelastungen des Grundwassers und der Überarbeitung der Düngeverordnung kann dies zu einem Problem werden. Hier befinden sich die Landwirt*innen also gewissermaßen in der Zwickmühle zwischen den Anforderungen der Lebensmittelverarbeitung und ökologischen Ansprüchen. Es kann aber auch insbesondere in einem viehlosen ökologischen Ackerbaubetrieb der Fall sein, dass gar nicht genug organischer stickstoffhaltiger Dünger zur Verfügung steht, um beim Weizen Backqualität zu erreichen. An dieser Stelle bieten Mischkulturen aus Weizen und Leguminosen eine interessante Option.
Ergebnisse zum Proteingehalt von Weizen aus Mischkulturen
In unseren Feldversuchen werden verschiedene Sortenkombinationen von Winterweizen und Wintererbsen jeweils in Misch- und Monokultur getestet. Das erste Versuchsjahr 2018/2019 im Versuchsbetrieb Neu Eichenberg hat ergeben, dass der Proteingehalt von Weizen in Mischkulturen mit Erbsen im Schnitt 15% über dem Weizen aus der Monokultur liegt. Man hat zwar weniger Weizenertrag, dafür aber auch zusätzlich Erbsen, wodurch der Gesamtertrag der Mischkultur höher ist als der Ertrag der Weizen- oder der Erbsenmonokultur. Das sind zwar vorläufige (einjährige) Ergebnisse, aber sie fügen sich gut in das Gesamtbild anderer Studien ein (Hof-Kautz 2008; Bedoussac und Juste 2010; Pelzer et al. 2012; Bedoussac et al. 2015). Der ökologische Mechanismus ist relativ simpel. Die Aussaatstärke des Weizens ist in der Mischkultur im Vergleich zur Weizenreinsaat reduziert (bei uns auf 70%). Gleichzeitig ist die Erbse weniger konkurrenzstark bei der Aufnahme von Bodenstickstoff als der Weizen und ist zudem in der Lage, auch selber Stickstoff aus der Atmosphäre zu fixieren (mit Hilfe der berühmten Knöllchenbakterien). Dadurch hat der Weizen pro Pflanze oder Ähre mehr Bodenstickstoff zur Verfügung als in der Reinsaat. In der Mischkultur besteht also eine verringerte Konkurrenz um Bodenstickstoff für den Weizen. Damit handelt es sich um ein Paradebeispiel der Nutzung biologischer Diversität und komplementärer ökologischer Eigenschaften von Kulturpflanzen. Auch beim Anbau von Leguminosen (z.B. Erbsen) als Hauptfrucht in Mischkultur ergeben sich einige Vorteile, wie z.B. eine gute Unkrautunterdrückung und reduziertes Lager bei kletternden Pflanzen (Wicken, Erbsen, Linsen). Für die Erbsen dagegen ist die Konkurrenz um Bodenstickstoff in der Mischung größer, weil Weizen diesen effizienter aufnimmt. Deshalb ist die Erbse gezwungen einen größeren Teil ihres Stickstoffbedarfs aus der Atmosphäre zu decken. Dies führt in der Mischkultur zu einer effizienteren Nutzung des Stickstoffs im Vergleich zur Erbsenreinsaat. Einer aktuellen Studie zufolge könnte dies eine Einsparung von Stickstoffdüngern von 26% auf globaler Ebene ermöglichen, wenn man alle Leguminosen statt in Monokultur in Mischungen anbauen würde (Jensen et al. 2020).
Die Herausforderung: Backweizen aus Gemengen
Allerdings ergibt sich bei der praktischen Nutzung von Mischkulturen ein fundamentales Problem in der Praxis: die Trennung. Möchte man Backweizen aus einer Weizen-Erbsen-Mischkultur gewinnen, dann werden die Erbsen im Weizen zu einem Problem. Zwar lassen sich Erbsen durchaus bis zu 10% in einer Backmischung hinzufügen, ohne dass Backqualität und Geschmack zu stark beeinträchtigt sind (Dabija et al. 2017). Die meisten Menschen haben wahrscheinlich schonmal einmal sogenanntes Proteinbrot mit Erbsen oder anderen Leguminosen im Supermarkt oder beim Bäcker gesehen oder sogar schon probiert. Allerdings variiert der Anteil der Erbsen in den Mischungen aufgrund ökologischer Faktoren und es muss sich erst einmal ein Bäcker finden, der Erbsen überhaupt verbacken möchte. Dies ist allenfalls ein Nischenmarkt. Hinzu kommt, dass Erbsen andere Mahleigenschaften haben als Weizen, was auch in der Mühle zu Problemen führen kann.
Technik für die Trennung: vom Windsichter bis zum Farbausleser
Im Prinzip lassen sich Erbsen und Weizen gut über physikalische Verfahren trennen, da sie relativ verschiedene Kornformen und Korngrößen haben. Über Windsichter, Siebe und Trieur ließe sich das eigentlich machen. Ein Problem aber sind halbe Erbsen, die beim Dreschen entstehen und dem Weizen in Form und Gewicht so stark ähneln, dass sie nicht so leicht physikalisch trennbar sind. Hier braucht es dann evtl. einen Tischausleser oder sogar optische Trennverfahren wie einen Farbausleser. Farbausleser bestrahlen die Körner mit elektromagnetischer Strahlung verschiedener Wellenlängen (sichtbares Licht, Nahinfrarot etc.), scannen die reflektierte Strahlung und lassen diesen in einen Algorithmus einfließen, der entscheidet, ob ein Korn per Luftstoß aus dem Kornstrom herausgeschossen wird oder nicht. Farbausleser kommen übrigens auch in der Mülltrennung zum Einsatz. Hier stellt sich dann natürlich sofort die Frage, ob der Mehraufwand der Trennung (zeitlich, finanziell, energetisch) den Vorteil der Mischkultur wieder auffrisst. Die Antwort auf diese Frage kann durchaus kulturabhängig sein. Linsen werden in Deutschland meist in Mischkultur angebaut. Da diese pro Tonne ca. 1600 Euro einbringen, lässt sich der Reinigungsaufwand gut rechtfertigen. Ökologischer Backweizen erzielt allerdings nur um die 400 Euro, ebenso wie Futtererbsen. Deshalb wird es sich erst noch zeigen müssen, ob sich der Anbau von Backweizen in Mischkultur wirklich lohnt. Unser Ziel ist es, nach der Ernte in dieser Saison die Trennung einmal zu testen und dadurch den Aufwand abzuschätzen.
Natürlich erfordern nicht alle Mischkulturen eine Trennung. Wenn die Biomasse als Ganzes genutzt wird, z.B. als Körnerfutter (Weizen-Erbse, Hafer-Erbse), als Grünfutter (Kleegras), Silage (Mais-Bohne) oder Zwischenfrüchte zur Verbesserung des Bodens, dann ist eine Trennung nicht erforderlich. Je nach Art der Mischkultur ist der technologische Anpassungsbedarf also unterschiedlich.
Technologische Anpassungen, Innovationen und Wertschöpfung für Mischkulturen
Allerdings sollte man sich nicht nur mit dem Status Quo abgeben, sondern über Optimierungsspielräume nachdenken, diese entwickeln und letztlich auch technische Lösungen testen. Es lässt sich vorstellen, dass sich bei der Trennung einiges optimieren lässt. Einerseits über die Wahl und Einstellung der verschiedenen Trennungstechnologien. Der Besuch bei Peter Heller in Oberfranken, der sich eine ausgeklügelte Reinigungsline sowie eine enorme Expertise aufgebaut hat, war hier sehr inspirierend. Einen Vortrag von Peter Heller findet man hier. Vielleicht ließen sich auch die optische Technik (Welche elektromagnetischen Wellenlängen sind zur Korntrennung am besten geeignet?) oder zumindest die Auswertungs-Algorithmen auf Mischkulturen und Korneigenschaften hin optimieren.
Andererseits ist es vorstellbar, dass man auch durch die Sortenkombination bei Weizen und Erbsen auf die Trennbarkeit Einfluss nehmen kann. Sowohl bei Weizen als auch bei der Erbse gibt es erhebliche Variabilität bezüglich der Korneigenschaften, die die Trennbarkeit beeinflussen, z. B. bezüglich der Korngröße, aber auch der Kornfarbe. Es gibt z.B. Erbsensorten mit heller und dunkler Schale. Bei Weizen und Erbsen gibt es auch erhebliche Variation bei der Korngröße. Vielleicht – aber das ist Spekulation – gibt es sogar Erbsen, die weniger anfällig gegenüber einer Beschädigung beim Dreschen sind. Prinzipiell wäre es auch vorstellbar die Korneigenschaften züchterisch mit dem Ziel einer guten Trennbarkeit zu bearbeiten. Für eine solche züchterische Bearbeitung ließen sich wiederum optische Farbsortierer einsetzen. Dieses Verfahren wurde z.B. für die Selektion auf Proteingehalt (Dowell et al. 2009), Samenfarbe bei Weizen (rot versus hell, Pearson 2010) oder aber auch Fusariumresistenzen (Carmarck et al 2019) getestet. Die Trennung muss nicht nur als ein Kostenfaktor, sondern kann auch als interessanter Bereich der Wertschöpfung und Innovation betrachtet werden.
Technologische Optimierungen für Mischkulturen sind aber nicht nur bei der Trennung, sondern auch in anderen Bereichen denkbar. Dazu gehören die Aussaat- und Dreschtechnik. Wenn bei der Aussaat die beiden Pflanzenpartner in einem Saatgutbehälter gemischt werden, besteht bei sehr verschiedenen Korngrößen die Gefahr der Entmischung, was dann eine exakte Einstellung der Saatstärken erschwert. Außerdem haben verschiedene Kulturpflanzenarten verschiedene Ansprüche an die Aussaattiefe. Diese sind um so verschiedener, je stärker die Korngrößenunterschiede sind. Mittlerweile gibt es Firmen, die Maschinen mit zwei Saatgutbehältern und der Möglichkeit gleichzeitig auf verschiedene Saattiefen zu drillen, anbieten. Und natürlich gibt es auch findige Landwirte, die ihre Maschinen selber modifizieren.
Wenn man es etwas aus der Vogelperspektive betrachtet, kann man sich folgende Aufgabe stellen: das Testen, Optimieren und die Neuentwicklung von Technologien für die Diversifizierung und ökologische Neuausrichtung unserer Landwirtschaft.
Literatur
Bedoussac, Laurent, Etienne-Pascal Journet, Henrik Hauggaard-Nielsen, Christophe Naudin, Guenaelle Corre-Hellou, Erik Steen Jensen, Loïc Prieur, and Eric Justes. “Ecological Principles Underlying the Increase of Productivity Achieved by Cereal-Grain Legume Intercrops in Organic Farming. A Review.” Agronomy for Sustainable Development 35, no. 3 (2015): 911–935.
Bedoussac, Laurent, and Eric Justes. “The Efficiency of a Durum Wheat-Winter Pea Intercrop to Improve Yield and Wheat Grain Protein Concentration Depends on N Availability during Early Growth.” Plant and Soil 330, no. 1–2 (2010): 19–35.
Carmack, W. Jesse, Anthony J. Clark, Yanhong Dong, and David A. Van Sanford. “Mass Selection for Reduced Deoxynivalenol Concentration Using an Optical Sorter in SRW Wheat.” Agronomy 9, no. 12 (2019): 816.
Dabija, Adriana, GEORGIANA GABRIELA CODINĂ, and PATRĺCIA FRADINHO. “Effect of Yellow Pea Flour Addition on Wheat Flour Dough and Bread Quality.” Romanian Biotechnological Letters 22, no. 5 (2017): 12888.
Dowell, Floyd E., Elizabeth B. Maghirang, and P. Stephen Baenziger. “Automated Single-Kernel Sorting to Select for Quality Traits in Wheat Breeding Lines.” Cereal Chemistry 86, no. 5 (2009): 527–533.
Hof-Kautz, Claudia. “Ursachen Höherer Backqualität von Winterweizen (Triticum Aestivum L.) Im Gemenge Mit Winterackerbohne (Vicia Faba L.) Oder Wintererbse (Pisum Sativum L.) Dissertation.” 2008.
Jensen, Erik Steen, Georg Carlsson, and Henrik Hauggaard-Nielsen. “Intercropping of Grain Legumes and Cereals Improves the Use of Soil N Resources and Reduces the Requirement for Synthetic Fertilizer N: A Global-Scale Analysis.” Agronomy for Sustainable Development 40, no. 1 (2020): 5.
Linnemann, Ludger. “Direkte Und Indirekte Verfahren Zur Bestimmung Der Mehlqualität von Öko-Weizensorten,” 2013.
Meynard, Jean-Marc, Marie-Hélène Jeuffroy, Marianne Le Bail, Amélie Lefèvre, Marie-Benoit Magrini, and Camille Michon. “Designing Coupled Innovations for the Sustainability Transition of Agrifood Systems.” Agricultural Systems 157 (2017): 330–339.
Pearson, Thomas. “High-Speed Sorting of Grains by Color and Surface Texture.” Applied Engineering in Agriculture 26, no. 3 (2010): 499–505.
Pelzer, Elise, Mathieu Bazot, David Makowski, Guénaëlle Corre-Hellou, Christophe Naudin, Mehdi Al Rifaï, Edouard Baranger, Laurent Bedoussac, Véronique Biarnès, and Patrick Boucheny. “Pea–Wheat Intercrops in Low-Input Conditions Combine High Economic Performances and Low Environmental Impacts.” European Journal of Agronomy 40 (2012): 39–53.
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