Eine Mischkultur aus Kaffe und Tomaten in Kolumbien. Foto von Neil Palmer, Quelle Wikipedia.
Gestern habe ich einen Vortrag im Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Halle zum Thema Diversifizierung in der Landwirtschaft am Beispiel von Mischkulturen gehalten. Unter Mischkulturen versteht man (im engeren Sinne) die gleichzeitige Kultivierung verschiedener Kulturpflanzenarten auf einer Fläche. Im weiteren Sinne kann man aber auch die gleichzeitige Kultivierung verschiedener Sorten einer Kulturpfanzenart als Mischkulturen bezeichnen. Die sich an meinen Vortrag anschließende Diskussion drehte sich zwar auch um biologische und ökologische Aspekte aber am heftigsten wurde doch über die Ökonomie und Praktikabilität von Mischkulturen diskutiert. Deshalb möchte ich an dieser Stelle noch einmal die diskutierten Argumente aufnehmen und ein bisschen ausführlicher darstellen.
Mischkulturen als Ansatz zur Diversifizierung der Landwirtschaft
Warum ist das Thema Mischkulturen überhaupt relevant? Mittels Mischkulturen kann man die externen Inputs in Agrarkultursysteme, wie Pestizide und Düngemittel reduzieren. Mischkulturen können teilweise die durch externe Betriebsmittel erbrachten Funktionen wie Unkrautbekämpfung und Schädlingsbekämpfung systemintern erbringen. Zunehmend werden in der Öffentlichkeit die Folgen des Einsatzes von Pestiziden, wie z.B. von Neonicotinoiden auf Bienen diskutiert. Ein weiteres Thema ist die Verschmutzung des Grundwassers durch Nitrateinträge, die aus der Düngung von Feldern stammt. Mischkulturen bieten hier einen Ansatz, um diesen negativen Folgen entgegenzuwirken.
Hausgarten VS professioneller Erwerbsanbau
Von vielen Hobbygärtnern und sogenannten „Gartengurus“, z.B. aus der Permakulturszene, hört man immer wieder, dass diese in ihren Gärten mit simplen Mitteln wunderbar schöne und hochproduktive Mischkulturen kultivieren. Dies ist auch durchaus richtig. Im Hausgarten allerdings sind Mischkulturen relativ einfach zu realisieren, da hier das Meiste Handarbeit ist und ökonomische Aspekte nicht im Vordergrund stehen. Außerdem ergibt sich ein Mischanbau auf der Hausgartenfläche fast automatisch, da kaum jemand in einem Selbstversorger-Garten nur ein Gemüse oder eine Fruchtsorte ernten möchte. Im professionellen Erwerbsanbau ist dies aber völlig anders.
Agrarchemikalien: Markt, Preis und Regulierung
In der modernen Landwirtschaft in Deutschland werden Mischkulturen (jenseits des Hausgartens) nur noch relativ selten kultiviert. Ein Blick in die jüngere Deutsche Vergangenheit erklärt warum. In der DDR war es bis in die 80iger Jahre üblich, statt einer Sorte von Gerste (für Braumalz), verschiedene Sorten auf einem Feld anzubauen (also Mischkulturen im weiteren Sinne). Ende der 80iger wurde weit mehr als 80% der gesamten Braugerste in der DDR als Sortenmischung angebaut (Hartleb und Skadow 1990). Die verschiedene Sorten trugen unterschiedliche Resistenzen gegen Pathogene (wie z.B. Mehltau) und konnten so den Krankheitsbefall im Vergleich zu Monokulturen mit nur einer Resistenz stark reduzieren. Dadurch konnte in der DDR der Fungizideinsatz mehr als halbiert werden. Mit dem Ende der DDR verschwand aber auch dieser Kultivierungsansatz. Der Grund dafür ist relativ simpel: Agrarchemikalien waren in der DDR ziemlich teuer bzw. nicht so gut verfügbar, ganz im Gegensatz zur heutigen Situation in Deutschland. Deshalb gab es damals einen starken ökonomischen Anreiz Alternativen einzusetzen.
Eine offensichtliche politische Möglichkeit die Anreize für den Einsatz von Agrarchemikalien zu reduzieren ist eine Besteuerung von Agrarchemikalien. Dies kann dadurch begründet werden, dass Agrarchemikalien in erheblichem Ausmaß sogenannte „externe“ Kosten verursachen. Diese externen Kosten sind nicht im Preis der Chemikalien enthalten und diese trägt deshalb nicht der Landwirt oder der Chemikalien-Produzent als Unternehmer sondern die Allgemeinheit oder aber andere Akteure. Externe Kosten werden z.B. von Pestiziden durch kranke oder tote Honigbienen erzeugt. Die Düngemittel wiederum erzeugen Kosten durch den Mehraufwand an Wasseraufbereitung, der durch die erhöhten Nitratwerte im Wasser erzeugt wird. Die mit diesen Schäden verbundenen Kosten könnten im Prinzip durch entsprechende Steuern auf Agrarchemikalien umgelegt werden. Der Anreiz für den Einsatz von Agrarchemikalien würde dadurch sicherlich sinken und die Attraktivität alternativer Ansätze, wie der von Mischkulturen, steigen. Ein solches politisches Projekt wird mit Sicherheit auf Widerstand der Hersteller von Agrarchemikalien stoßen.
Wenn man die professionelle Landwirtschaft nicht verstaatlichen will und den Einsatz von Agrarchemikalien drastisch reduzieren möchte, bleibt einem fast nur noch die Möglichkeit regulierend in den Markt einzugreifen.
Nischenmärkte
Ein weiterer Ansatz wäre es zu zeigen, dass Mischkulturen in der Praxis zumindest in bestimmten Nischenbereichen gut funktionieren und was man dabei beachten muss. Dabei ist sicher die ökologische Landwirtschaft eine vielversprechende Nische. Da hier höhere Preise erzielt werden und ohnehin auf synthetische Pestizide verzichtet werden muss, könnten sich hier Mischkulturen eher rechnen als im konventionellen Bereich.
Pioniere, Verrückte und Forscher
Ein weiterer Ansatz, der vielleicht etwas unkonventionell klingen mag, ist, dass es eine Gruppe von Pionierinnen geben muss, die sehr enthusiastisch und verrückt genug ist, um auch Sachen auszuprobieren, die mindestens ein erhebliches ökonomisches Risiko darstellen. Nur mit Pragmatikern und Realisten kommt man nicht weit. Es muss Menschen geben, die bereit sind sich etwas vorzustellen, dass es bisher nicht gibt und aus heutiger Sicht vielleicht auch (nahezu) unmöglich erscheint. Auch Ideen aus dem Hobby- und Permakulturbereich könnten durchaus inspirierend sein. Praktisches Experimentieren und wissenschaftliches Forschen jenseits etablierter Pfade sind hier ein möglicher Weg.
Regionalisierung des Konsums
Ein weitere wichtiger Aspekt für die Diversifizierung ist offensichtlich die Regionalisierung des Konsums von Agrarprodukten. Wenn regionale Produkte nachgefragt werden, dann müssen diese, soll der Bedarf gestillt werden, eben auch regional angebaut werden. Dies führt, ausgehend von einer hochspezialisierten und auf den Export konzentrierten Landwirtschaft, zu einer Diversifizierung der angebauten Kulturpflanzen. Wenn z.B. die Leipziger Bevölkerung den Wunsch nach regionalem Gemüse und Obst hat, dann kann im Leipziger Umland nicht nur Weizen, Mais und Raps angebaut werden. Eine Überregionalisierung ist aber natürlich ebenfalls zu Vermeiden, da dies die Ernährungssicherheit (bei regionalen Ernteausfällen) sowie die Produktvielfalt massiv einschränken würde.
Die Trägheit des Agrarsystems… sollte nicht entmutigen!
Da unser gesamtes Agrarsystem mit seinen Kultivierungsmethoden, Kulturpflanzen, Technologien, Wissen und Institutionen an Monokulturen angepasst ist, wird es nicht einfach sein Mischkulturen zu etablieren und generell wieder mehr Vielfalt in unsere Landwirtschaft zu bringen. Wenn man sich von Beginn an dieser Herausforderung bewusst ist – ohne sich entmutigen zu lassen – gibt es aber vielleicht doch einen gangbaren Weg.
Nachtrag vom 28.11.17
Eine Kollegin von der Uni Kassel hat mich auf eine interessante sozialwissenschaftliche Studie aufmerksam gemacht (Casagrande et al 2017), die die Faktoren für eine Diversifizierung landwirtschaflicher Betriebe in Frankreich empirisch untersucht hat. Die Entscheidenden Faktoren, die eine Diverifizierung ermöglichen, sind demnach (1) die verfügbare Arbeitskraft, (2) spezialisierte Maschinen, (3) Zugang zu Vermarktungsmöglichkeiten und (4) der Austausch von Wissen durch Netzwerken.
Literatur
Casagrande, M., Alletto, L., Naudin, C., Lenoir, A., Siah, A., & Celette, F. (2017). Enhancing planned and associated biodiversity in French farming systems. Agronomy for Sustainable Development, 37(6), 57.
Hartleb, H., und K. Skadow. „Experiences with the cultivation of spring barley variety mixtures in the GDR.“ Bericht über die Arbeitstagung 1990 der“ Arbeitsgemeinschaft der Saatzuchtleiter“ im Rahmen der“ Vereinigung österreichischer Pflanzenzüchter“, Gumpenstein, Österreich, 20-22 November 1990. (1990): 275-282.
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