An dieser Stelle möchte ich wieder einmal einen Gedanken teilen, der mich schon seit einiger Zeit beschäftigt und fasziniert. Und damit bin ich natürlich nicht der oder die Einzige. Biologische Vielfalt und agrarökologische Ansätze werden in der Landwirtschaft als ein Gegenmodell zur durchrationalisierten und industriellen Landwirtschaft gesehen. Agrarindustrielle Systeme sind meist funktional spezialisiert und optimiert auf die Produktion bestimmter landwirtschaftlicher Güter. Durch ihre Optimierung auf die Produktion eines oder weniger Güter sind sie nicht nur in ihrer Funktion spezialisiert (monofunktional) sondern auch ihre ökologische Struktur ist in ihrer Komplexität stark reduziert. Dies bedeutet, dass industrielle Agrarsysteme extrem vereinfachte Agrarsysteme sind, was in der populären Alltagssprache dann als Monokulturen bezeichnet wird. Und in der Tat, biologische Vielfalt passt nicht in die Optimierung spezialisierter agrarindustrieller Produktionssysteme. Diese Feststellung mag nicht neu sein, dennoch ist sie von grundlegender Bedeutung.
Biodiversität in der Landwirtschaft und economies of scale
Die Agrarökologie bietet als alternative Ansätze verschiedene Diversifizierungsoptionen in der Landwirtschaft an. Dazu gehören diverse Populationen von Kulturpflanzenarten (z.B. Weizenpopulationen oder sogenannte composite crosses), Sortenmischungen, Mischkulturen oder Agroforstsysteme. Diese Systeme haben vor allem ökologische Vorteile, wie eine verbesserte Pflanzengesundheit, Unkrautunterdrückung, höhere Flächennutzungseffizienz oder Ertragsstabilität bei reduziertem Einsatz von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln im Vergleich zu Monokulturen.
Diversität aber steht fundamental im Widerspruch zur Rationalisierung industrieller Agrarsysteme zumindest, wenn diese ein integraler Bestandteil des Produktionssystems und nicht bloß hübsches Beiwerk sind, wie z.B. Blühstreifen. Den fundamentalen Grund dafür habe ich schon an anderer Stelle beschrieben und ist in der strukturellen Kopplung des ökonomischen Phänomens der economies of scale mit der biologischen Diversität in Agrarsystemen bedingt. Anders formuliert liegt dies in der strukturellen Kopplung von Ökosystem und Produktionssystem in der Landwirtschaft. Durch diese Kopplung ist die Komplexität des Ökosystems – also der Grad der Biodiversität und die Zahl der verschiedenen ökologischen Interaktionen – mit der Zahl der produzierten landwirtschaftlichen Güter und damit der economies of scale verbunden.
Nun ergibt sich aber die Frage, ob es nicht doch auch gewisse Kompromisse – oder besser noch – neue Möglichkeiten finden ließen hohe Effizienz und economies of scale mit Diversifizierung zu verbinden. Warum sollte man dies tun wollen? Einerseits, weil dies die ökonomische Vernunft es gebietet und andererseits, weil wir in den meisten Agrarsystemen in Europa nun einmal die Industrialisierung zu einem kaum mehr tilgbaren Bestandteil unserer Kultur und Ökonomie gemacht haben. Es ist schlicht unrealistisch und auch inhuman diesen Prozess vollständig rückgängig machen zu wollen. Diese These mag Widerspruch auslösen (was ich sehr hoffe), hat aber gerade deshalb ihre Berechtigung. Wie aber nun könnte man diversifizierte Pflanzenbausysteme der Agrarökologie besser mit ökonomischer Effizienz verbinden?
Mischkulturen in Europa: überwiegend extensive Gemenge
An dieser Stelle möchte ich Mischkulturen als einen besonders relevanten Spezialfall diversifizierter Pflanzenbausysteme ins Spiel bringen. In Europa sind Mischkultursysteme üblich, in der die zwei (oder mehr) Kulturpflanzenarten raumzeitlich nicht getrennt sondern in einer Reihe meist gleichzeitig ausgesät werden. Gute Beispiele sind Linsengemenge mit Getreiden wie Gerste (Getreide sind hier Stütze für die Linse, dienen der Unkrautunterdrückung und erhöhen die Ertragssicherheit) oder Ackerbohnengemenge mit Hafer (auch hier erhöhen die Gemenge die Unkrautunterdrückung und Ertragssicherheit) oder Erbsengemenge mit Getreiden wie Weizen und Roggen (zur Verbesserung des Proteingehaltes des Weizens, Stützung der Erbse). Die meisten dieser Systeme dienen der Futterproduktion, da eine Trennung der Gemenge in hoher Reinheit nach meinem bisherigen Wissensstand ökonomisch wenig sinnvoll ist. Diese Gemenge könnten entweder direkt verfüttert oder aber mit relativ einfachen Mitteln so aufgereinigt werden, dass noch geringe Mengen des Mischungspartners („Verunreinigungen“) enthalten sind. Dies ist bei der Herstellung von Futtermischungen ohnehin nicht von Relevanz. Hier können aus „unsauber“ getrennten Mischungen wieder exakt definierte Futtermischungen zusammengestellt werden. Eine Ausnahme sind die Linsengemenge, da sich aufgrund des hohen Kilopreises für Linsen eine aufwendige Trennung lohnt. Die vorgenannten Mischkulturen sind alle eher extensive Systeme, die auf Standorten mit eher geringer Fruchtbarkeit und geringem Düngemitteleinsatz angebaut werden. Dies ist unter anderem darin begründet, dass eine Düngung mit Stickstoff die Stickstoff-Fixierleistung der Leguminosen in den Gemengen reduziert wird. Außerdem wird die Konkurrenzsituation zu Ungunsten der Leguminosen beeinträchtigt, so dass ihr Anteil in dem Gemenge zurückgeht. Dadurch aber werden die viele Vorteile dieser Gemenge nivelliert und man kann direkt Monokulturen anbauen, die intensiv geführt werden.
Ein Blick nach Asien: intensive Streifen-Mischkulturen
Wie so oft lohnt es sich über seinen eigenen Kulturkreis hinauszuschauen. In anderen Weltregionen, vor allem in Asien, sieht sieht der Mischkulturanbau ganz anders aus. Hier werden oft sogenannte relay strip intercropping systeme genutzt. Hierbei handelt es sich um Mischkulturen in Streifen (strip) mit zeitlich versetzter Aussaat (relay) (Feike et al., 2012; Hong et al., 2019; Knoerzer et al., 2009).
Der Hauptgrund für die Streifenkulturen ist keinesfalls primär ökologisch sondern zielt auf die Optimierung des Ertrages oft unter hohem Einsatz von Düngemitteln. Aber natürlich werden auch die ökologischen Vorteile genutzt, wie eine bessere Pflanzengesundheit. Die wissenschaftliche Literatur ist vor allem von Forschung asiatischer Provinienz geprägt (Feng et al., 2019; Wu et al., 2017). Aber auch niederländische Wissenschaftler sind auf diesem Feld aktiv. Und so langsam wird auch mehr über die Weiterentwicklung von Streifenkulturen in Europa nachgedacht (Lamichhane et al., 2023).
Ein Kollege von der Universität Wageningen (Wopke van der Werf) hat viele Arbeiten zu diesem Thema veröffentlicht und meine Aufmerksamkeit in diese Richtung gelenkt (Li et al., 2023, 2020). In den meisten europäischen Ländern sind diese Systeme noch weitgehend unbekannt. Im Gegensatz dazu sind die Chinesen mehrere Schritte weiter und schon längst bei der Optimierung von Streifenkulturen angekommen. Es gibt z.B. einige Studien, die die optimale Streifenbreite untersuchen (Feng et al., 2019; van Oort et al., 2020) oder nach vorteilhaften Eigenschaften von Sojabohnen für die Streifenkulturen suchen, z.B. einer reduzierten Schattenflucht (Gong et al., 2015; Wu et al., 2017).
Optimierung der Vielfalt in Streifen-Kulturen
Der Streifenanbau hat mehrere Gründe, die im Wesentlichen dadurch zusammengefasst werden können, dass die Aussaat, Kulturführung und Ernte besser auf die jeweiligen Eigenschaften der verschiedenen Kulturpflanzenarten optimiert werden können. In Streifenkulturen, können die Kulturpflanzenarten z.B. zu ihrem jeweils optimalen Zeitpunkt und Aussaattiefe in die Erde gebracht werden. Ebenso kann der Erntezeitpunkt auf beide Kulturpflanzenarten spezifisch eingestellt werden. In Gemengen dagegen muss man immer Kompromisse machen (Aussaatzeitpunkt, Aussaattiefe, Erntezeitpunkt) oder aber man kann nur Kulturpflanzen kombinieren, die relativ ähnlich Eigenschaften haben (Korngröße, Saatzeit, Reifezeitpunkt). Außerdem können die Unkrautbekämpfung (mechanisch oder chemisch) und die Düngung, die z.B. bei Getreiden und Leguminosen ja sehr unterschiedliche Anforderungen hat, für die jeweilige Kultur optimiert werden. Ein weiterer entscheidender Aspekt ist, dass Streifenkulturen die Problematik der Trennung entfällt, wenn man sehr reine Produkte für die Lebensmittelproduktion benötigt. Und nicht zuletzt können auch Kulturen kombiniert werden, die in Gemengen überhaupt nicht zusammenpassen aber doch vielversprechende Vorteile haben. Ein Beispiel ist die Kombination von Mais und Kartoffeln. So hat sich gezeigt, dass diese Kombination den Befall der Kartoffel mit Krautfäule erheblich reduzieren kann (Ditzler et al., 2021).
Verschiedene Entwicklungspfade für Mischkulturen zur Anpassung an verschiedene Umwelten
Keine Konzept ist aus sich selbst heraus vorbestimmt auch wenn dies Vertreter aus Forschung, Zivilgesellschaft oder Politik sehr gerne genauso framen. Besonders nicht in der Landwirtschaft. Die Landwirtschaft wird von Menschen aus natürlichen Bestandteilen von Ökosystemen konstruiert. Landwirtschaftliche Systeme sind Produktionssysteme für ökonomische Güter aber sie sind eben auch Ökosysteme mit biologischen Organismen als einem ihrer Kernbestandteile. Die Idee der Mischkultur ist deshalb im besten Sinne ein Brückenkonzept oder wie es in der sozialwissenschaftlichen Literatur heißt ein „boundary object“ (Gieryn, 1983). Es gibt zwar eine Kerndefinition (Kombination von mindestens zwei Kulturpflanzenarten in raumzeitlicher Nähe) aber alles andere ist unbestimmt und von verschiedenen Menschen und Kulturen auszufüllen. Dies macht aus ökologischer, ökonomischer aber auch kultureller Sicht hochgradig Sinn. Landwirtschaft findet in sehr vielen Kontexten statt und muss an diese angepasst werden. Die europäische Landwirtschaft könnte meiner Meinung nach erheblich davon profitieren, wenn sie ihr Portfolio an Mischkulturen vergrößert. Streifenkulturen sind hier ein zukünftiger Baustein mit großem Potential. Hierbei müssen für europäische Kontexte erstmal grundlegende Pflanzenbauliche Fragestellungen bearbeitet werden (Kombination der Kulturpflanzenarten, Saatstärken, Saatzeitpunkte). In einem nächsten Schritt sollten dann Züchtung und Agrartechnik diese Systeme optimieren. Dabei sollte aber der eigentliche Grund für Mischkulturen nicht vergessen werden, nämlich eine für uns Menschen und alle Lebewesen langfristig gesündere Landwirtschaft. Denn im Prinzip sind auch Mischkulturen denkbar, die ebenso wenig nachhaltig sind, wie Monokulturen. Da meines Erachtens derzeit der Begriff der Agrarökologie immer mehr verwässert und von gewissen Akteuren kooptiert wird, sollte dies nicht vergessen werden.
Literatur
Ditzler, L., van Apeldoorn, D.F., Schulte, R.P., Tittonell, P., Rossing, W.A., 2021. Redefining the field to mobilize three-dimensional diversity and ecosystem services on the arable farm. Eur. J. Agron. 122, 126197.
Feike, T., Doluschitz, R., Chen, Q., Graeff, S., Claupein, W., 2012. How to Overcome the Slow Death of Intercropping in the North China Plain. Sustainability 2012, 2550–2565. https://doi.org/10.3390/su4102550
Feng, L., Raza, M.A., Chen, Y., Khalid, M.H.B., Meraj, T.A., Ahsan, F., Fan, Y., Du, J., Wu, X., Song, C., Liu, C., Bawa, G., Zhang, Z., Yuan, S., Yang, F., Yang, W., 2019. Narrow-wide row planting pattern improves the light environment and seed yields of intercrop species in relay intercropping system. PLoS ONE 14. https://doi.org/10.1371/journal.pone.0212885
Gieryn, T.F., 1983. Boundary-work and the demarcation of science from non-science: Strains and interests in professional ideologies of scientists. Am. Sociol. Rev. 781–795.
Gong, W.Z., Jiang, C.D., Wu, Y.S., Chen, H.H., Liu, W.Y., Yang, W.Y., 2015. Tolerance vs. avoidance: two strategies of soybean (Glycine max) seedlings in response to shade in intercropping. Photosynthetica 53, 259–268.
Hong, Y., Heerink, N., Zhao, M., Van der Werf, W., 2019. Intercropping contributes to a higher technical efficiency in smallholder farming : Evidence from a case study in Gaotai County, China. Agric. Syst. 173, 317–324. https://doi.org/10.1016/j.agsy.2019.03.007
Knoerzer, H., Graeff, S., Guo, B., Wang, P., Claupein, W., 2009. The Rediscovery of Intercropping in China: A Traditional Cropping System for Future Chinese Agriculture – A Review, in: Lichtfouse, E. (Ed.), Climate Change, Intercropping, Pest Control and Beneficial Microorganisms, Sustainable Agriculture Reviews. Springer, pp. 13–44. https://doi.org/10.1007/978-90-481-2716-0_3
Lamichhane, J.R., Alletto, L., Cong, W., Dayoub, E., Maury, P., Plaza-Bonilla, D., Reckling, M., Saia, S., Soltani, E., Tison, G., Debaeke, P., 2023. Relay cropping for sustainable intensification of agriculture across temperate regions: Crop management challenges and future research priorities. Field Crops Res. 291, 108795. https://doi.org/10.1016/j.fcr.2022.108795
Li, C., Hoffland, E., Kuyper, T.W., Yu, Y., Zhang, C., Li, H., Zhang, F., van der Werf, W., 2020. Syndromes of production in intercropping impact yield gains. Nat. Plants 1–8. https://doi.org/10.1038/s41477-020-0680-9
Li, C., Stomph, T.-J., Makowski, D., Li, H., Zhang, C., Zhang, F., van der Werf, W., 2023. The productive performance of intercropping. Proc. Natl. Acad. Sci. 120, e2201886120.
van Oort, P.A.J., Gou, F., Stomph, T.J., van der Werf, W., 2020. Effects of strip width on yields in relay-strip intercropping: A simulation study. Eur. J. Agron. 112. https://doi.org/10.1016/j.eja.2019.125936
Wu, Y., Feng, Y., GONG, W., Ahmed, S., FAN, Y., WU, X., YONG, T., LIU, W., Kai, S.H.U., Jiang, L.I.U., 2017. Shade adaptive response and yield analysis of different soybean genotypes in relay intercropping systems. J. Integr. Agric. 16, 1331–1340.
Schreibe einen Kommentar