Ein Monarchfalter auf einer Sommerfliederblüte. Foto von Lynn M Kimmerle, Quelle Wikipedia.


Oft wird von Menschen, die sich mit Ökologie, biologischer Vielfalt oder Umweltschutz beschäftigen Neues mit Schlechtem gleichgesetzt. Dies gilt z.B. auch für zugewanderte Arten, die sogenannten Neobiota. Diesen werden in Naturschutzkreisen überwiegend schlechte Eigenschaften zugeschrieben: sie verdrängen ortsansässige Arten, destabilisieren Ökosysteme, erzeugen hohe Kosten durch deren Bekämpfung oder fördern die Bodenerosion. Und in der Tat es gibt einige Neobiota, die sich massiv ausbreiten und enorme Schäden erzeugen. Neobiota, die starke negative Einflüsse auf einheimische Arten und lokale Ökosysteme haben, werden als invasive Arten bezeichnet. Ein Großteil der Neobiota hat allerdings keine negativen Auswirkungen. Nach Deutschland wurden z.B. nach den Angaben des Bundesamtes für Naturschutz 12 000 Gefäßpflanzen eingebracht von denen nur 30 einen invasiven Charakter haben (BfN 2005). Dies entspricht gerade einmal einem Anteil von 0,25%.

Man kann aber noch einen Schritt weiter denken. Wie sieht es denn mit den positiven Wirkungen eingewanderter Arten aus? Diese Frage wird scheinbar nicht so oft gestellt. An dieser Stelle möchte ich mal eine andere Perspektive einbringen und danach Fragen, welche positiven Konsequenzen sogenannte Neobiota haben können. Dabei möchte ich keinesfalls die negativen Folgen invasiver Arten relativieren, aber eben den Blick auf einen anderen Aspekt richten.

Neobiota können durch evolutionäre Prozesse zu neuen biologischen Arten führen

Eine mögliche Konsequenz der Einwanderung ortsfremder Arten in ein Gebiet ist z.B. die Entstehung neuer biologischer Vielfalt in der Form neuer Unterarten oder sogar völlig neuer Arten. Ein Beispiel dafür sind die mittlerweile in Deutschland weit verbreiteten Knöterich-Gewächse. Zwei Arten, der Japanische Staudenknöterich und der Riesenknöterich wurden aus Asien als Zierpflanzen nach Europa und Deutschland eingeführt. Hier verdrängen diese Arten vor allem die einheimische Vegetation an Gewässerrändern, z.B. Gräser. Da die Knöteriche im Gegensatz zu Gräsern schwach ausgeprägten Wurzeln haben, kann dies zu einer Zunahme der Ufererosion führen (diese Info habe ich von Katrin Schneider, die sich in dem Projekt Korina intensiv mit Neophyten beschäftigt). Dies ist ein relativ klarer Fall von invasiven Neobiota mit negativen ökologischen und teils auch ökonomischen Konsequenzen. Interessanterweise aber hat sich aus den beiden eingewanderten Arten ein neuer Hybrid gebildet der Bastard-Flügelknöterich. Dieser stellt rein biologisch betrachtet ein neues Element der biologischen Vielfalt dar. Möglicherweise ist dieser Hybrid auch besser an unsere Ökosysteme und Kulturlandschaften angepasst als die aus Asien stammenden Arten.

Solche durch den Menschen verursachten Hybridisierungsprozesse können sogar völlig neue biologische Arten hervorbringen, die der Kerndefinition einer biologischen Art entsprechen und reproduktiv von anderen verwandten Arten isoliert sind. Durch die Hybridisierung einer mediterranen (Rhododendron catawbiense) und einer nordamerikanischen Rhododendron-Art (Rhododendron maximum) ist z.B. eine neue Rhododenron-Art entstanden (Rhododendron superponticum), die mittlerweile in England weit verbreitet ist (Thomas 2015). Ob es sich hierbei aber wirklich um eine neue Art handelt ist, wie so oft in der Wissenschaft nicht ganz unumstritten. Ein weiteres Beispiel ist die Primelart Primula kewensis, die in den Kew Gardens in London entstanden ist. Diese neue Art ist durch die Hybridisierung einer afrikanischen (P. Verticillata) und einer aus dem Himalaya stammenden Primel-Art (P. floribunda) evolviert. Eine Übersicht durch Hybridisierung neu entstandener Arten findet man in dem Artikel von Thomas (2015).

Förderung einheimischer Arten durch Neobiota

Robinia pseudoacacia 'Frisia'

Ein weiterer oft übersehener Aspekt eingewanderter Arten ist, dass sie einheimische Arten auch positiv beeinflussen können. Üblicherweise wird z.B. die Robinie (Robonia pseudacacia), welche aus Nordamerika nach Deutschland gebracht wurde dafür verteufelt, dass sie durch ihre Fähigkeit Stickstoff zu fixieren einheimische Arten in naturnahen und nährstoffarmen Ökosystemen verdrängt. Dies ist zwar richtig aber auch nicht die ganze Wahrheit. Mittlerweile nutzen einige europäische Arten diesen Baum als Nahrungsquelle, wie z.B. der Schwarzbraune Trauerfalter. Für die Raupen diese Falters ist die Robinie mittlerweile sogar zur Hauptnahrungsquelle geworden (Höttinger 2004).


Foto Links: Eine Kulturform der Robinie mit dem Namen Frisia, Foto von Colin, Quelle Wikipedia.

Neue ökosystemare Zusammenhänge und neue Ökosysteme

Der Sommerflieder (Buddleja davidi), welcher aus China als Gartenpflanze eingeführt wurde, ist mittlerweile zu einer wichtigen Nahrungsquelle vieler Schmetterlingsarten geworden. So wurden auf dieser Pflanze 43 Tagfalterarten beim Blütenbesuch beobachtet sowie die Raupen 11 verschiedener Schmetterlingsarten (Höttinger 2004).

Durch solche neuen ökologischen Wechselwirkungen werden die lokalen Ökosysteme nicht zerstört sondern verändert. Es können z.B. neue Nahrungsnetze zwischen Neobiota und einheimischen Arten entstehen, wodurch die Neobiota in lokale Ökosysteme eingebunden werden. Dadurch verändert sich das lokale Ökosystem, und es können hybride Misch-Ökosysteme oder im Extremfall sogar gänzlich neue Ökosysteme entstehen.

Die Bewertung von Veränderungen biologischer Vielfalt und von Ökosystemen

Letztlich basiert jedes Urteil über Änderungen der biologischen Vielfalt und von Ökosystemen auf Werten, die wir sozial und kulturell vermittelt bekommen. Auch die hier dargestellten möglicherweise positiven Folgen von Neobiota basieren implizit auf einem solchen Werturteil. Die Entstehung neuer Arten durch Neobiota ist nur gut, wenn wir der biologischen Vielfalt auf Artebene einen positiven Wert zuschreiben. Das gleich gilt für die Förderung einheimischer Arten durch Neobiota oder das Entstehen neuer Nahrungsnetze, hybrider Ökosysteme oder sogar völlig neuer Ökosysteme.

Plädoyer für eine Entwicklung zukunftsfähiger Ökosystem statt reiner Konservierung

Mein Eindruck ist, das viele praktisch engagierte Naturschützer aber auch Naturschutzverbände einen starken Fokus auf die Erhaltung bzw. Konservierung von Ökosystemen und biologischer Vielfalt legen. Dies ist durchaus sehr verständlich und auch gerechtfertigt, da man durch die alltägliche Erfahrung die Arten in seiner Umgebung liebgewinnt. Ich selbst liebe die Vögel, die Bäume, die Bienen und Eichhörnchen rund um das Haus, in dem ich aufgewachsen bin. Leider aber ist es wohl unaufhaltsam, dass sich unsere Welt durch Klimawandel, Wachstum der Weltbevölkerung und zunehmende Verstädterung stark verändert. Ein Ansatz, der sich alleine auf eine Erhaltung des Status Quo stützt, ist wohl zum Scheitern verurteilt. Dies heißt nicht, dass man alles aufgeben muss, aber es sollte auch einen Spielraum für Veränderungen geben. Nur wenn man sich dessen bewusst ist, kann man diese Veränderungen aktiv und positiv gestalten.

Literatur

Höttinger, H. (2004). Grundlagen zum Schutz von Tagschmetterlingen in Städten. Ges. für Schmetterlingsschutz.

Thomas, C. D. (2015). Rapid acceleration of plant speciation during the Anthropocene. Trends in ecology & evolution, 30(8), 448-455.

Bfn (2005) Bundesamt für Naturschutz. Gebietsfremde Arten: Positionspapier des Bundesamtes für Naturschutz. Bundesamt für Naturschutz, 2005.