Das Weco-Dyn-System mit mehreren Saat-Behältern. Ein Beispiel für Anpassung der Technik an Mischkulturen. Fotografiert auf dem Versuchsbetrieb der Universität Kassel in Neu Eichenberg.


An dieser Stelle möchte ich ein paar Erkenntnisse teilen, die wir in unserem Projektteam am Fachgebiet Ökologischer Pflanzenschutz durch einen Workshop zu Mischkulturen (den Bericht findet man hier), eigenen Erfahrungen und Gesprächen mit Landwirten gewinnen konnten. Diese Einsichten sind natürlich als vorläufig und qualitativ einzuschätzen aber vielleicht auch gerade deshalb so interessant.

Die moderne, spezialisierte und technologieorientierte Landwirtschaft gilt als ein durch Monokulturen geprägtes System. Enge Fruchtfolgen, Felder mit nur einer einzigen Kulturpflanzenart, die von fast allen wilden Pflanzen bereinigt sind und teils riesige räumliche Ausmaße annehmen, bestimmen das Bild der modernen Landwirtschaft. Biologische Vielfalt, Mischkulturen und weite Fruchtfolgen sind allenfalls etwas für die kleinbäuerliche Landwirtschaft in rückständigen Gesellschaften oder für Hobbygärtnerinnen und Träumer. Produktivität in der Landwirtschaft und biologische Vielfalt scheinen in einem starken Widerspruch zu stehen.

Eine Vielzahl an Experimenten aus dem Bereich der Biodiversitätsforschung und den Agrarwissenschaften zeigt allerdings wiederum, dass eine Zunahme der Biodiversität eine Reihe von Vorteilen für natürliche Ökosysteme und Agrarökosysteme hat, wie eine höhere und stabilere Biomasseproduktion und effizientere Nährstoffnutzung (Isbell et al. 2017; Martin-Guay et al. 2018). Den Widerspruch zwischen moderner Landwirtschaft und biologischer Vielfalt sollte es also eigentlich gar nicht geben aber er ist dennoch schwer von der Hand zu weisen. Man könnte dies auch als das Biodiversitäts-Produktivitäts-Paradoxon bezeichnen.

Um diesen Widerspruch genauer zu verstehen und diesen vielleicht sogar aufzulösen lohnt ein tieferer Blick in die landwirtschaftliche Praxis.

Zwischenfrüchte als etablierte Mischkulturen im Ökolandbau

Zuallererst muss man festhalten, dass das Bild von der monolithischen Dominanz der Monokulturen in der Tat nicht ganz zutrifft. Hier und da gibt es auch in unserer Landwirtschaft einige bunte Tupfer von Mischkulturen. Mischkulturen sind z.B. in der Form von Zwischenfrüchten ein elementarer Bestandteil im Ökolandbau (AGÖL 2003) und der regenerativen Landwirtschaft (letztere oft mit minimaler Bodenbearbeitung). Zwischenfrüchte dienen dem Aufbau des Bodens mit einer guten Bodenstruktur und führen diesem Stickstoff zu. Die einfachste Zwischenfrucht-Mischung ist die Kombination einer Kleesorte mit einer Grassorte. Hierdurch wird die hohe Nährstoff-Aneignungsfähigkeit der Gräser mit der Fähigkeit der Leguminosen Stickstoff zu fixieren, kombiniert wodurch hohe Biomasseproduktionsleistungen erzielt werden. Neben dieser gewissermaßen „minimal-diversen“ Mischung sind auch Zwischenfruchtmischungen mit sehr vielen Pflanzenarten möglich, werden in der Praxis eingesetzt und sind auch kommerziell verfügbar (z.B. bei DSV oder Camena). Mono-Zwischenfrüchte sind im Vergleich zu Zwischenfruchtmischungen eher die Ausnahme. Zwischenfrucht-Mischungen sind relativ einfach zu handeln, da man nicht auf gleichzeitige Abreife achten muss (es werden keine Körner gedroschen) und man keine Abnehmer finden und das Gemisch nicht aufreinigen muss, weil es ausschließlich betriebsintern genutzt wird (außer es wird als Futter vermarktet). Ähnliches gilt natürlich auch für Grünland, welches praktisch immer aus Mischkulturen besteht. Die Zwischenfrucht-Mischungen stellen durch die betriebsinterne Kultivierung biologischer Vielfalt Leistungen für den landwirtschaftlichen Betrieb bereit (fruchtbaren Boden) und reduzieren dadurch den Bedarf an externen Betriebsmitteln für diese Zwecke (synthetische Dünger, Kompost, Mist, Grünschnitt und Mulch zum Bodenaufbau von anderen Betrieben). Mischkulturen werden in diesem Fall also durch eine Reduktion der Spezialisierung landwirtschaftlicher Betriebe ermöglicht.

Hier eine Bildergalerie mit von mir fotografierten Mischungen:

Futter-Mischkulturen (Körnerfutter): Regionalisierung und betriebliche Diversifizierung

Ein Großteil der energiereichen Futtermittel (aus Samen von Getreiden und Leguminosen), die in den Trögen unserer Tiere landen, werden in Monokulturen angebaut. Paradebeispiele sind der Maisanbau in Deutschland oder der Sojaanbau in Südamerika.

Allerdings werden in gewissen Mengen Mischkulturen auch zur Produktion von Tierfutter eingesetzt. Beispiele vor allem aus dem Ökolandbau sind Sommergerste-Erbse, Hafer-Erbse (Sommerungen) oder Wintertriticale-Wintererbse.

Mischkulturen, die bisher in der Praxis des Futterbaues schon (oder noch) Verwendung finden sind solche, die innerbetrieblich als betriebseigenes Futter genutzt oder aber direkt an andere tierhaltende Betriebe vermarktet werden (z.B. als Teil einer Futter-Mist-Kooperation). In diesem Fall werden die Mischungen meist nicht getrennt sondern als Mischung verwertet.

Eine mögliche Barriere für die direkte Verfütterung von Futtermischungen ist die Auffassung, dass moderne Tierfütterung hundertprozentig exakte Fütterung erfordert. Dies gilt zumindest für die Landwirte mit denen ich gesprochen habe so nicht. Eine solide Schätzung durch eine visuelle Begutachtung schien ihnen zu genügen, um ihre Tiere gesund zu ernähren und eine gute Produktivität zu erzielen. Ob dies für einen High-End-Mastbetrieb zutrifft, sei natürlich dahingestellt. Allerdings ließen sich theoretisch die Zusammensetzung von Mischungen auch genau ermitteln.

Die betriebsinterne Nutzung oder direkte Vermarktung von Futter-Mischungen ist in gewisser Hinsicht deshalb ein Ansatz, der neben der direkten Diversifizierung durch die Mischkultur auf dem Acker auch indirekt zu einer Diversifizierung auf regionaler Ebene führt: Einerseits durch die innerbetriebliche Kombination von Futterackerbau mit Tierhaltung bei der Nutzung der Futtermischung als betriebseigenes Futter. Andererseits führt auch die Weitergabe einer Futtermischung an einen Nachbarbetrieb zu einer Vermischung von Ackerbau und Tierhaltung in der Kulturlandschaft. Mit anderen Worten: Dieser Ansatz führt zu einer Rücknahme der Spezialisierung der Landwirtschaft und wenn man einen hohen Spezialisierungsgrad als essentiellen Bestandteil einer modernen Landwirtschaft sieht, dann zeigt sich an dieser Stelle womöglich ein essentieller Widerspruch zwischen „moderner“ Landwirtschaft und biologischer Vielfalt.

Futter-Mischkulturen (Körnerfutter): Einschleusen in spezialisierte Wertschöpfungsketten

Ich habe aber auch von Landwirten gehört, die ihre Futtermischungen an Mühlen liefern, die diese dann auftrennen und nach Gewichtsanteilen bezahlen (in der Schweiz z.B. Alb Lehmann Biofutter und auch einige in Deutschland). Dadurch ließen sich Mischungen in die – wenn man so möchte – industrielle Präzisions-Futter-Industrie einschleusen. Dieser Ansatz ist bisher allerdings nicht sehr weit verbreitet. Neben den Mühlen, die Mischungen trennen sind Zusammenschlüsse mehrere Betriebe zu Anbau- und Vermarktungsgemeinschaften möglich, um eine effiziente Reinigung von Mischungen zu ermöglichen, wie es z.B. das Hessische Hochland für Linsen-Hafer oder Linsen-Leindotter tut.

Allerdings muss sich dieser Mischanbau gegen billiges Sojaschrot aus Südamerika behaupten. Mir selbst ist im Moment die tatsächliche Verbreitung von Futtermischungen allerdings etwas unklar und die mir bekannten Zahlen sind völlig veraltet (von 1998, AGÖL 2003).

Es zeigen sich hier also verschiedene mögliche Wege, Mischkulturen und biologische Vielfalt in das System unserer Landwirtschaft zu integrieren. Ein Weg führt über eine verringerte Spezialisierung oder Regionalisierung. Der andere Weg schleust Mischkulturen in ein spezialisiertes System aus Futterackerbau, Futterherstellung und Tierhaltung ein.

Produktiver Linsenanbau braucht Mischkulturen

Eine weitere interessante Ausnahme ist der Anbau von Linsen. Dieser wird in unseren Breiten ausschließlich in Mischkultur durchgeführt, z.B. in der Schwäbischen Alb und im „Hessischen Hochland“. Der Linsenanbau ist bei uns in Monokultur nicht produktiv genug. Linsen in Monokultur gehen ins Lager und dadurch bleibt bei der Ernte ein Großteil der Linsen auf dem Feld. Hafer kann dies als Stützfrucht verhindern. Allerdings muss der Hafer (oder der Leindotter) nach der Ernte wieder aus der Mischung herausgereinigt werden. Dies erfordert eine Reinigungstechnik, die über die auf vielen Betrieben vorhandene Getreidereinigung hinausgeht. Die Anbau- und Vermarktungsgesellschaft Hessisches Hochland organisiert deshalb diesen Prozess für mehrere Landwirte. Der Linsenanbau als Ganzes stellt in Deutschland noch eine (recht hochpreisige) Nische dar. Trotzdem, dieses Beispiel sollte einem zu denken geben. Es ist die einzige mir bekannte landwirtschaftliche Kultur, die obligat in Mischungen angebaut wird.

Mischkulturen als Feld für Spezialisierung, technologische Entwicklung und Wertschöpfung

Im Pflanzenbau besteht die Herausforderung vor allem darin, die verschiedenen Anforderungen der Kulturpflanzenarten z.B. an Saattiefen und Reifezeitpunkt (wenn Samen geerntet werden) zu koordinieren bzw. kulturtechnisch zu managen. Eine typische Herausforderung ist z.B. die verschiedene optimale Saattiefe von Leguminosen (tiefer) und Getreide (flacher).

Bezüglich der Saattiefe sind Kompromisse mit bestehender Technik die leichteste Lösung, da hier weder technische Modifikationen noch Investitionen notwendig sind. Alternativ müsste man die Technik anpassen, um eine gleichzeitige Saat in verschiedene Tiefen zu ermöglichen. Kompromisslösungen erfordern keine Investitionen und sind deshalb ein kostengünstiger Einstieg in den Bereich der Mischkulturen.

Andererseits kann die optimierte Kultivierung von Mischungen selbst ein Feld für die Spezialisierung werden. Statt sich auf Monokulturen zu spezialisieren, spezialisiert man sich auf Mischungen. Anpassungen der Technik und spezielles Wissen zur Kulturführung und Sortenwahl, Reinigung und Vermarktung sind hier denkbar. Dies bietet sicherlich eine breite Spielwiese für unternehmerische Geister, technische Tüftler und auch Forscher. Hierbei geht es darum den scheinbaren Widerspruch zwischen Vielfalt und Produktivität zu verringern oder gar aufzulösen und das produktive Potential biologischer Vielfalt zu nutzen. Spezialisierung auf Vielfalt könnte ein vielversprechender wenn auch paradox klingender Ansatz sein. Der Linsen-Anbau im Gemenge ist dafür ein gutes Beispiel.

Innovationspakete für Mischkulturen

Eine weitere interessante Idee sind sogenannte „Innovationspakete“, die bestimmten Dingen zum Durchbruch verhelfen. So bestand die sogenannte „Grüne Revolution“ aus einem Paket mehrerer Innovationen, die sich gegenseitig ergänzt haben, wie z.B. Hochleistungssorten, synthetischer Stickstoffdünger und Pestizide (Farmer 1996). So könnte auch bei Mischkulturen eine Kombination aus mehreren Aspekten zu einem Durchbruch führen: Optimierung der Kulturführung, Anpassungen der Technik und neue angepasste Sorten.

Literatur

AGÖL (2003) Projekt zur Sicherung gentechnikfreier Züchtung für den ökologischen Landbau.

Farmer, B. H. (1986). Perspectives on the ‘Green Revolution’in South Asia. Modern Asian Studies, 20(1), 175-199.

Isbell, F., Adler, P. R., Eisenhauer, N., Fornara, D., Kimmel, K., Kremen, C., … & Scherer‐Lorenzen, M. (2017). Benefits of increasing plant diversity in sustainable agroecosystems. Journal of Ecology, 105(4), 871-879.

Martin-Guay, M. O., Paquette, A., Dupras, J., & Rivest, D. (2018). The new green revolution: sustainable intensification of agriculture by intercropping. Science of the Total Environment, 615, 767-772.